Bei nationalen und internationalen Konferenzen unterhalten Imkerinnen und Imker sich oft über die Varroabekämpfung. Wann und womit machen andere diese, vielleicht kann man sich ja noch etwas abschauen, gerne ist man auch neidisch, was es im anderen Land nicht für großartige zugelassene Präparate gäbe. Die Wahl der Strategie der Varroakämpfung hängt dabei von vielen Faktoren ab… Zunächst einmal sind die in einem Land zugelassenen und erhältlichen Produkte zu berücksichtigen, dann die Umweltbedingungen und die Jahreszeit bei der Behandlung, Volkszustand – ob mit Brut oder ohne, Geschichte und Kultur der Imkerei in einem bestimmten Land spielen wahrscheinlich eine Rolle, Gewohnheit der Anwender, eventuell tierärztliche Verschreibungen, Marketing, Mundpropaganda, Schulungen, Empfehlungen der Imkereiverbände, Schwierigkeitsgrad der Anwendung, Rückstandsproblematik, auftretende Resistenzen bei den Milben, Auswirkungen auf die Bienen, Wirkungsgrad und so weiter und so fort. In Österreich scheint die Sache klar zu sein. Erstens sind die für Bienen zugelassenen Tierarzneimittel im Arzneispezialitätenregister verzeichnet (über das Internet abrufbar). Zweitens wird laut der von Biene Österreich herausgegebenen Broschüre „Varroa-Bekämpfung einfach-sicher-erfolgreich“ (Moosbeckhofer et al., 2015) folgende auf drei Säulen basierende Strategie empfohlen: 1. Biotechnische, nicht-chemische Maßnahmen während der Tracht (Drohnenbrutentnahme, Hyperthermie, Bannwabenverfahren, etc.), 2. Hauptentmilbung nach dem Abschleudern mit einem zugelassenen Produkt (Ameisensäure, thymolhaltige Produkte), 3. Restentmilbung in der brutfreien Zeit mit unterschiedlichen Applikationen der Oxalsäure.
Aber was wird in Österreich tatsächlich gemacht? Aufmerksame LeserInnen der Berichte zur Wintersterblichkeit von Bienenvölkern in Österreich kennen diese Antwort natürlich, da diese Bekämpfungsmethoden einen wichtigen Teil dieser Untersuchung darstellen. Der Fragenkatalog umfasst dabei 19 Aktivitäten, die im Zusammenhang mit der Varroabekämpfung stehen, und die Monate in denen diese Maßnahmen gesetzt werden. Das beginnt mit der Feststellung des Varroabefalls der Völker, reicht von der Drohnenbrutentnahme, Hyperthermie, anderen biotechnischen Methoden (Bannwabe, Fangwabe, totale Brutentnahme, …), Ameisensäure (Kurz-, Langzeitbehandlung), Oxalsäure (träufeln, verdampfen, sprühen), bis hin zu unterschiedlichen synthetischen Akariziden. Diese Daten haben wir genutzt, um erfolgreiche Varroabekämpfungsmaßnahmen in Österreich zu identifizieren (Oberreiter & Brodschneider, 2020), wobei vorausgeschickt werden muss, dass in Österreich der Großteil der Imkereien den oben genannten Empfehlungen folgt, und daher wenig Variabilität in den Behandlungsstrategien vorliegt. Für die Schweiz konnte in einer aktuellen Studie gezeigt werden, dass Imkereien die von der empfohlenen Vorgangsweise nicht abweichen, geringere Winterverluste erleiden (Hernandez et al., 2022). Dennoch gibt es eine gewisse Anzahl unterschiedlicher Kombinationsmöglichkeiten von Bekämpfungsmethoden, die auch noch von Jahr zu Jahr zu unterschiedlichen Erfolgen führen können. Die Anwendung zum Beispiel der Ameisensäure ist wahrlich nicht trivial, der Erfolg derselben Strategie hängt auch vom Verdunster und dem Wetter ab! Man könnte versucht sein, bei so einer breiten Palette der Möglichkeiten die einzig beste zu suchen. Die Antwort ist wahrscheinlich: Alle Bekämpfungsmethoden haben ihre Vor- und Nachteile. Die Entscheidung für eine Imkerei nach der besten Bekämpfungsmethode sollte also lauten: Diejenige Methode, die man am besten beherrscht, und die zur eigenen Betriebsweise passt, ist die Methode der Wahl. Gab es Misserfolge, hohe Völkerverluste, sind die zahlreichen Schräubchen an der Methode zu justieren, um diese zu verbessern, oder sich nach umfassender Beratung für eine andere Strategie zu entscheiden.
Wie sieht es aber in anderen Europäischen Ländern aus? In einem kürzlich erschienen wissenschaftlichen Artikel haben wir standardisierte Varroabekämpfungsdaten von 28.409 Imkereien aus 30 europäischen Ländern einer Analyse unterzogen. Anhand einer Korrespondenzanalyse haben wir die Länder aufgrund der Ähnlichkeit der 19 Varroamaßnahmen zueinander gruppiert. Beim Betrachten einzelner Länder zeigt sich dabei bereits bekanntes: In Österreich haben im Zeitraum April 2019 bis März 2020 haben 54% der Imkereien Drohnenbrut entnommen, 51% Oxalsäure verdampft, 48% machten eine Ameisensäure Langzeitbehandlung, 37% eine Kurzzeitbehandlung, gefolgt von 35% Oxalsäure Träuflern, zu denen noch 27% Anwender von Oxalsäure-Mischpräparaten zum Träufeln kommen (Siehe Tabelle 3 in Brodschneider et al., 2022). Ähnlich das Bild in unseren Nachbarländern Deutschland und Schweiz. Das erklärt sich unter anderem dadurch, dass in Österreich (aber auch der Schweiz) seit langem die Entwicklungen in Deutschland verfolgt werden. Unser Nordöstlicher Nachbar Tschechien hingegen, mit dem wir eine gemeinsame Geschichte haben, hat in den Jahrzehnten des Kommunismus eine stark auf synthetische Akarizide ausgelegte Strategie entwickelt, die bis heute anhält (siehe dazu auch den Vergleich der Imkerei in den beiden Ländern von Brodschneider et al., 2019).
Blickt man jetzt auf alle teilnehmenden Länder in Europa, zeigen sich 3 große Blöcke (Abbildung 1): Zum einen der Block mit den drei bereits diskutierten deutschsprachigen Ländern, in denen die organischen Säuren dominieren. Zu diesem Block gehören auch die Skandinavischen Länder, das Baltikum, Belgien, Niederlande, Slowenien, Bulgarien, Griechenland sowie Italien (wobei die teilnehmenden italienischen Imkereien vorwiegend aus dem Norden des Landes stammen). Die Imkereien der meisten Osteuropäischen Länder (in Abbildung 1 rot eingefärbt) bilden eine eigene Gruppe und setzen verstärkt auf synthetische Akarizide, vor allem Amitraz Vernebelung, aber auch Fluvalinat. Letzteres wurde in Österreich in den 1990ern angewandt, wir finden Rückstände davon noch immer im Wachskreislauf, die Substanz ist aber durch Resistenzbildung der Milben nicht mehr wirksam (und in unserem Land daher auch nicht zugelassen). Frankreich, Spanien, Portugal und die Länder der Britischen Inseln bilden wiederum einen eigenen Block, der sich von den beiden genannten unterscheidet, und vor allem durch die Verwendung von Amitraz in Streifen gekennzeichnet ist.
Abbildung 1. Die in Europa vorherrschenden drei Blöcke der Varroabekämpfung (farblich unterschieden) und als Einfügung die größten Unterschiede in der Varroabekämpfung (Mittelwerte für jeden Block).
Die Studie beinhaltet auch eine grobe Hochrechnung wie viele der Europäischen Völker mit den unterschiedlichen Methoden behandelt werden: Das für Österreicher etwas unerwartete Ergebnis zeigt, dass vermutlich 6 von 10 Völkern in Europa mit Amitraz behandelt werden, danach kommen unterschiedlichste Anwendungen der Oxalsäure. Bei diesem Ergebnis gilt es zu berücksichtigen, dass gerade im Osten Europas sowie in Spanien und Frankreich sehr viele Bienenvölker gehalten und mit Amitraz behandelt werden.
Warum gibt es nun aber diese starken großräumigen Unterschiede in der Bekämpfung des „selben Feindes“ (der Varroamilbe) in Europa wie in diesem Artikel gezeigt? Gäbe es die eine beste Varroabekämpfungsmethode, hätte die sich wohl flächendeckend durchgesetzt. Wären einzig und allein die Umweltbedingungen ausschlaggebend für die Wahl der Varroa-Strategie, würde man (aufgrund des Klimas) wohl eher eine Nord-Süd Zonierung erwarten. Gefunden haben wir aber eine Ost-West Zonierung, die teilweise sogar dem historischen eisernen Vorhang durch Europa folgt. Wahrscheinlich spielen für die unterschiedlichen Präferenzen der drei Blöcke Faktoren abseits wissenschaftlicher Erkenntnisse eine Rolle, wie zum Beispiel Gewohnheit, Kultur oder die historische und aktuelle Verfügbarkeit bestimmter Medikamente. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass es sich bei den hier dargestellten drei Gruppen um eine Momentaufnahme handelt. Mir haben bei der Erstellung des Artikels viele Kollegen aus anderen Ländern mitgeteilt, dass es in Ihren Ländern durchaus Bestrebungen gibt, zum Beispiel „weniger mit synthetischen Akariziden zu arbeiten“, genauso wie es in der Gruppe der Österreich angehört Bestrebungen gibt „von den Säuren wegzukommen“. Es könnte also das eine oder andere Land sich in den nächsten Jahren einer anderen Gruppe anschließen. Entsprechende Untersuchungen vergangener Jahre und weitere Beobachtung der Situation sind also durchaus spannend!
Literatur: