„Bürgerwissenschaften„, „Hobbyforschung„, „Citizen Science„: Begriffe die wir im Zusammenhang mit unserer Untersuchung der Winterverluste von Bienenvölkern und vor allem mit unserem Projekt „C.S.I. Pollen“ gerne nennen. Aber wofür stehen diese Begriffe eigentlich? Und was hat das mit im Strassenverkehr getöteten Tieren zu tun? Ein Österreichisches Internet-Portal informiert über Citizen Science und hat unsere Untersuchungen an der Honigbiene als Beispiele aufgenommen!
Das Institut für Zoologie der Universität für Bodenkultur in Wien betreibt seit kurzem ein Internetportal unter dem Titel „www.citizen-science.at„. Die Grundidee hinter Citizen Science ist rasch erklärt: Jeder interessierte Laie soll durch Beobachtungen, Messungen oder bei Datenauswertungen mithelfen können, Wissenschaft wird dadurch demokratisiert. Bereits Charles Darwin suchte den Austausch mit eifrigen Naturbeobachtern. Laut http://conscicom.org/ soll er dabei mit über 2000 Bürgern in Korrespondenz gestanden sein.
Dieses Freizeit-Interesse vieler Bürger an unterschiedlichen biologischen oder naturwissenschaftlichen Themen hat also ein immenses Potential, das auch von der akademischen Forschung gerne genützt wird, um in Kooperation mit engagierten BürgerInnen große Datenmengen zu generieren. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die, vor allem im anglo-amerikanischen Raum weit verbreitete und von Hobby-Ornithologen durchgeführte, jährliche Vogelzählung („Christmas Bird Count„, in Österreich: Stunde der Wintervögel), sozusagen eine Bestandsaufnahme unserer Vogelwelt. Mit unseren mehr als 22.000 Imkerinnen und Imkern gibt es in Österreich eine große Zahl an Experten zum Thema Bienenhaltung und Naturbeobachtung, die wir jedes Jahr zu unserer Umfrage über die Winterverluste von Bienenvölkern einladen. So konnten wir bisher von 2008 bis 2014 mehr als 5300 Datensätze sammeln. Neben unseren eigenen wissenschaftlichen Untersuchungen, stellen wir diese Daten auch der Allgemeinheit zur Auswertung und Interpretation zur Verfügung. Noch einen Schritt weiter geht unsere kürzlich begonnene C.S.I. Pollen Studie. Im Jahr 2014 haben mehr als 50 Österreichische Imkerinnen und Imker regelmäßig Pollen ihrer Bienen gesammelt, selbst untersucht und für weitere Analysen im Labor zur Verfügung gestellt.
Die Kollegen von der Boku Wien hingegen interessieren sich für Roadkill, also im Straßenverkehr getötete Tiere. TeilnehmerInnen können Funde von auf der Straße getöteten Tieren in eine online-Datenbank eintragen. „Durch das Zusammentragen von vielen einzelnen Daten zu einem großen Datensatz ist es möglich genau festzustellen, zu welchen Bedingungen (Wetter, Uhrzeit, …), an welchen Standorten (Wald, Wiese, Ortsgebiet, …), auf welchen Straßen, welche Tiere Opfer von Roadkill werden.“ Dadurch sollen langfristig Orte an denen es besonders häufig zu Roadkill kommt, identifiziert und in Zusammenarbeit mit Behörden, NGOs und Gemeinden entschärft werden. Die Einträge können als Karte abgerufen werden. Weitere auf citizen-science.at verlinkte Beispiele für Bürgerbeteiligung in der Biologie sind www.Naturbeobachtung.at (Sichtungen von Pflanzen und Tieren, Naturschutzbund), Wiener Gebäudebrüter (Stadt Wien) und Wildkatze in Österreich (Wildkatzenprojekt Nationalpark Thayatal).
Ein exzellentes Beispiel aus England sind „Turings Sunflowers„: Um die Mathematik (Fibonacci-Folge!) hinter der (spiraligen) Anordnung der Samen von Sonnenblumen genau untersuchen zu können, werden Bürger gebeten Sonnenblumen aufzuziehen, die Blütenköpfe zu untersuchen, und Zählungen der Samenreihen zu übermitteln. Studien mit Bürgerbeteiligung können auch eine sehr hohe Genauigkeit erzielen, wie eine kürzlich in Plos One erschienene Studie zeigt: Die von Tauchergruppen erhobene Häufigkeit des grauen Riffhais vor der Insel Palau weicht kaum von mittels akustischer Telemetrie und Hightech erhobenen wissenschaftlichen Datensätzen ab! Und das zu deutlich geringeren finanziellen Kosten für die Gesellschaft. Allen genannten Untersuchungen liegt ein gemeinsamer Nenner zu Grunde: Die Masse machts. Einzelne Naturbeobachtungen können statistische Ausreisser sein, erst durch das Sammeln sehr großer Datenmengen, das eine kleine Gruppe von Wissenschaftern nicht schafft, aber durch Mithilfe der Bürgerwissenschafter ermöglicht wird, können gesicherte Aussagen getroffen werden. Die so gezogenen wissenschaftlichen Erkenntnisse werden durch die Mitarbeit der Bürgerwissenschafter für viele besser nachvollziehbar.
Weiterführende Links:
- www.citizen-science.at
- (Österreichisches) Zentrum für Citizen Science
- www.buergerschaffenwissen.de
- Europäische Citizen Science Association
- Citizen Science Association (US)
- Citizen Science Alliance
- Artikel „Die Bürgerforscher“ aus dem Leibniz-Journal
- OEAD News 4/97 (Juni 2015) zum Thema: „Citizen Science: Wir forschen mit„
- Green paper on Citizen Science der Europäischen Kommission
- White paper on Citizen Science der Europäischen Kommission
- Caise Inquiry Group Report: Public Participation in Scientific Research
- Broschüre Choosing and Using Citizen Science
- Broschüre Guide to Citizen Science
- Broschüre Citizen Science für alle
- Buch Citizen Science: Innovation in Open Science, Society and Policy
Nachtrag: C.S.I. Pollen wurde auch in www.buergerwissenschaften.de aufgenommen!