Betriebsweisencheck – Was sagt die Statistik?

In der Bienenhaltung gibt es zahlreiche unterschiedliche Betriebsweisen – isolierte Beute oder nicht, Kunststoffbeuten, Naturwabenbau oder kleine Brutzellen. In der Untersuchung der Winterverluste haben wir 2017 erstmals auch diese von den Imkereien oft als untersuchungswürdig vorgeschlagenen Parameter erhoben und können prüfen, ob es statistisch belegbare Auswirkungen auf die Winterverlustrate gibt.

Wichtiges vorweg: Alle Ergebnisse basieren auf den eigenen Angaben von Imkerinnen und Imkern Österreichs. Die Frage nach den unterschiedlichen Betriebsweisen wurde dabei folgendermaßen gestellt: „Was trifft für den Großteil Ihrer Völker zu“. Die möglichen Antworten waren „Ja“, „Nein“, „Unsicher“. Dann wurden alle Antworten in „Ja“ und „Nein“ unterteilt, und für beide Gruppen die Winterverlustrate errechnet, genauso wie Sie es in der Bienenstand.at Datenbank selbst machen können. Wenn sich die Konfidenzintervalle der beiden Gruppen nicht überlappen, gibt es einen signifikanten Unterschied in der Wintersterblichkeit in Abhängigkeit von der untersuchten Betriebsweise!

Aber Achtung, die Winterverlustrate ist nicht nur von einer einzelnen Betriebsweise abhängig, sondern von vielen Entscheidungen, die im Laufe eines Bienenjahres getroffen werden, zum Beispiel der Bekämpfung der Varroa-Milbe, sowie weiteren Faktoren, wie etwa dem Wetter. Da jedes Jahr anders ist, sind die Antworten verschiedener Jahre auch nur bedingt vergleichbar, und können sich von Jahr zu Jahr unterscheiden. Hier werden die Ergebnisse aus der Überwinterung 2016/17, mit einer Verlustrate von 23,0% präsentiert. Die Ergebnisse könnten auch mit anderen, in der Analyse einer einzelnen Betriebsweise nicht berücksichtigten Handlungen zusammenhängen, etwa wenn zum Beispiel alle Imkereien, die isolierte Beuten verwenden, auch eine bestimmte Art der Varroa-Bekämpfung verwenden würden. Dennoch ist es interessant, welche Betriebsweisen in Österreich vorwiegend angewandt werden und wie sich bestimmte Betriebsweisen in der Überwinterung 2016/17 ausgewirkt haben.

1. Offener Gitterboden im Winter

Ein offener Gitterboden hat bestimmte Vorteile, was die Ventilation des Volkes im Sommer oder auch die Bekämpfung der Varroa-Milbe betrifft. Aber soll der Boden im Winter geschlossen werden? In Österreich haben von 1568 befragten Imkereien 59,1% angegeben, den Gitterboden im Winter offen zu halten, 39,2% haben keinen offenen Gitterboden. 1,7% waren sich bei dieser Frage unsicher. Die Winterverlustrate zwischen Betriebsweise mit offenem gegenüber geschlossenem Gitterboden im Winter unterscheidet sich nicht, wie Sie mit diesem Link selbst überprüfen können. Wenn Sie auch den Überwinterungserfolg der 27 Imkereien, die „Unsicher“ geantwortet haben, sehen möchten, folgen Sie diesem Link.

Screenshot der Datenbankabfrage offener Gitterboden im Winter: Balken 1 zeigt die Verlustrate der 926 Betriebe die mit „Ja“ geantwortet haben, Balken 2 die 615 „Nein“ Antworten. Die Zahl der eingewinterten Völker beträgt 15862 beziehungsweise 26143. Da sich das Konfidenzintervall der ersten Gruppe (20,34-23,36) mit jenem der zweiten Gruppe (22,21-24,99) überlappt, gibt es keinen statistisch signifikanten Unterschied.

Die Erkenntnis, dass es für die Winterverlustrate unerheblich ist, ob der Gitterboden geschlossen oder offen ist, wird durch eine Untersuchung aus Spanien unterstützt. Dabei wurde die Temperatur im Stock bei Völkern mit offenem und geschlossenem Gitterboden im Winter verglichen und kein Unterschied gefunden. Freilich haben Bienenvölker in Spanien mit anderen Kälte-Einbrüchen zu kämpfen als im Winter 2016/17 in Österreich.

2. Isolierte Beuten im Winter

Holzbeuten können eine zusätzliche Isolierungsschicht haben, auch Beuten aus Styropor können als isoliert bezeichnet werden. Reduziert diese Isolierung die Winterverluste? In Österreich haben 21,9% von 1504 TeilnehmerInnen angegeben, im Winter isolierte Beuten zu haben, 75,1% haben mit „Nein“ geantwortet. Immerhin 2,9% sind bei der Beantwortung dieser Frage „Unsicher“. Signifikant höhere Winterverluste erlitten Imkereien mit isolierten Beuten (27,2%, Konfidenzintervall: 24,4-30,3%) im Vergleich zu Imkereien, mit nicht isolierten Beuten (22,5%, Konfidenzintervall: 21,4-30,3%). Hier gehts zur Abfrage in der Datenbank.

3. Kunststoffbeuten

In Österreich verwenden 11,3% der Betriebe Kunstoffbeuten (etwa aus Styropor), 88,4% tun das nicht. Nur 0,3% der 1472 TeilnehmerInnen, die diese Frage beantwortet haben, waren sich „Unsicher“. Die betreffende Abfrage in der Datenbank zeigt: Es gibt keinen signifikanten Unterschied in der Winterverlustrate zwischen der Anwendung von Kunststoff-Beuten und keiner Anwendung von Kunststoff-Beuten. Die Wahl des Beutenmaterials scheint also keine große Rolle für Winterverluste zu spielen.

4. Zertifizierte Bio-Imkerei

Über „Bio“ in der Imkerei lässt sich viel diskutieren! In der Untersuchung der Winterverluste von Bienenvölkern 2017 wurde daher nach „zertifizierter“ Bio-Imkerei gefragt, da es für diese festgelegte Richtlinien gibt (nachzulesen: Information der Biene Österreich), die auch regelmäßig überprüft werden. 9,2% der 1441 TeilnehmerInnen, die diese Frage beantwortet haben, gaben an, zertifizierte Bio-Imkereien zu sein, 89,0% sind nicht als Bio-Imkerei zertifiziert. 1,8% der TeilnehmerInnen waren sich „Unsicher“. Übrigens gab es einige Antworten, die in Kommentaren angaben, „wie Bio“ oder „Bio-nahe“ zu arbeiten, aber ohne Zertifizierung. Diese Antworten, wurden nicht als „Zertifizierte Bio-Imkerei“ gewertet. Signifikant geringere Winterverluste waren bei zertifizierten Bio-Imkereien (19,7%, Konfidenzintervall: 18,2-21,4%) im Gegensatz zu Nicht-Bio-Imkereien (25,4%, Konfidenzintervall: 24,0-26,7%) festzustellen (hier der Link zur Datenbank). Dieses Ergebnis ist schwer interpretierbar, da es sich nur auf ein Jahr stützt, weitere Untersuchungen zu diesem Thema sind sicher empfehlenswert. Bei der im Rahmen von Zukunft Biene für den Vorwinter (2015/16) durchgeführten „Beobachtungsstudie“ (Verweis auf Bericht folgt) konnte bei geringerer Stichprobenzahl kein Unterschied gefunden werden.

5. Zucht auf Varroa-Toleranz

Schon bei der durch COLOSS koordinierten Formulierung dieser Frage war Haarspalterei angesagt: Soll nach Varroa-Resistenz oder Varroa-Toleranz gefragt werden? Gibt es eine solche überhaupt bei der in Europa heimischen Apis mellifera? Fest steht, dass es sowohl Berichte von Bienenvölkern gibt, die ohne Varroa-Bekämpfung überleben, als auch, dass es seit mehreren Jahren Zuchtanstrengungen gibt, deren Ziel eine Biene ist, die „besser“ mit der Varroa-Milbe zurechtkommt. Intention der Frage war es, herauszufinden ob Zuchtmaterial verwendet wird, von dem die BienenhalterInnen annehmen, dieses wäre besonders gut gegen die Varroa-Milbe gewappnet – im Idealfall sind dies also Imkereien, die selbst an Zuchtprogrammen teilnehmen, oder genetisches Material von solchen beziehen.

Bei der Untersuchung 2017 haben 8,4% der ImkerInnnen angegeben, ihre Bienen entstammten einer Zucht auf Varroa-Toleranz, 81,4% taten dies nicht. Der hohe Anteil von 10,3% der 1438 TeilnehmerInnen, die diese Frage mit „Unsicher“ beantwortet haben, deutet auf die Notwendigkeit einer weiteren Schärfung dieser Frage hin. Die Winterverlustraten der „Ja“ und „Nein“ Antworten unterscheiden sich nicht – das Ergebnis ist hier nachzurechnen!

6. Kleine Brutzellen

Kleine Brutzellen – das ist eine Betriebsweise mit Brutzellen, die durch entsprechende Mittelwände und auch Genetik der Königin kleiner sind als die im Handel üblich angebotenen, nämlich einen Durchmesser von unter 5,1 mm haben – gelten als eine heiß diskutierte Methode der Varroa-Bekämpfung. Es ist natürlich interessant, wie viele  Imkereien in Österreich diese Methode anwenden, und ob die Winterverluste von Bienenvölkern dadurch reduziert werden können. Schon die ungleiche Verteilung der „Ja“ (3,4%) und „Nein“ (83,7%) Antworten der 1439 antwortenden TeilnehmerInnen zeigt, dass sich in Österreich relativ wenige Imkereien mit der kleinen Brutzelle auseinandersetzen. Das wird unterstrichen durch die höchste Anzahl an „Unsicher“ Antworten: 12,9% der TeilnehmerInnen können keine eindeutige Aussage treffen. Überraschend dann auch das Ergebnis der Winterverlustraten der beiden Gruppen: Es gibt signifikant höhere Winterverluste bei Imkereien mit kleinen Brutzellen (32,4%, Konfidenzintervall: 26,9-38,5%) im Vergleich zu Betrieben, die keine kleinen Brutzellen verwenden (22,1%, Konfidenzintervall: 21,1-23,2%).

Bei der Interpretation dieses Ergebnisses gilt es, die geringe Stichprobenzahl der „Ja“ Antworten (n=49) zu berücksichtigen, auch ersichtlich an der großen Spannweite des Konfidenzintervalls. Andererseits muss auch bedacht werden, dass vielleicht unter den wenigen Experimentatoren mit der kleinen Brutzelle diese Imkereien die Bekämpfung der Varroa-Milbe durch die zugelassenen Bekämpfungsmittel nicht oder nur reduziert anwenden. Die tatsächliche Zellgröße, die auch bei der Betriebsweise „kleine Brutzellen“ variieren kann, wurde nicht überprüft. Um also eine letztendlich gültige Aussage betreffend die kleine Brutzelle zu treffen, sind vermutlich gezielte Untersuchungen unter definierten Bedingungen notwendig – aus der hier präsentierten epidemiologischen Analyse lässt sich keine Empfehlung der Umstellung auf kleine Zellen ableiten.

7. Naturwabenbau

Die Bienen bauen lassen – ohne vorgegebene Mittelwände – wird als eine sehr naturnahe Art der Bienenhaltung propagiert. Aber wie verhält es sich mit den Winterverlusten? In Österreich haben 6,6% der ImkerInnen angegeben, bei der Mehrzahl ihrer Völker Naturwabenbau (ohne Mittelwand) zu betreiben, 90,4% nicht. 3,0% der TeilnehmerInnen haben diese Frage mit „Unsicher“ beantwortet. Es gibt keinen signifikanten Unterschied in der Winterverlustrate zwischen Betrieben mit Naturwabenbau und ohne Naturwabenbau, hier selbst zu überprüfen.

Ein von den Bienen im Naturwabenbau gebautes Wabenstück.

8. Kaufe Wachs zu

Haben die in einigen europäischen Ländern durch paraffiniertes Wachs verfälschten Mittelwände etwas mit den Winterverlusten zu tun? Wie kann man das in einer epidemiologischen Untersuchung abfragen? COLOSS hat sich auf  „Kaufe Wachs zu“ als Frage nach einem eigenen Wachskreislauf geeignet. Das bedeutet noch nicht, dass zugekauftes Wachs generell mit Verfälschungen oder Pestizidrückständen belastet sein muss, aber zeigt potentielle Risiken beim Zukauf von betriebsfremden Wachs auf. 58,6% der teilnehmenden Betriebe in Österreich kaufen Wachs zu, 38,7% kaufen kein Wachs zu, 2,7% der antwortenden TeilnehmerInnen waren sich „Unsicher“. Wie der statistische Vergleich zeigt, gibt es keinen signifikanten Unterschied in der Winterverlustrate zwischen Betrieben, die Wachs zukaufen und solchen, die dies nicht machen.

Résumé

Zusammenfassend zeigt sich in dieser Teilauswertung, wie komplex auch die Wahl der Betriebsweise in Hinsicht auf Winterverluste von Bienenvölkern ist. Sie gibt einen Überblick, welche Betriebsweisen in Österreich häufig praktiziert werden und betrachtet dabei auch einige heiß diskutierte Eisen der Imkerei. Salopp können die Ergebnisse des Untersuchungswinters 2016/17 zusammengefasst werden: Offener Gitterboden, Kunststoffbeuten, Varroa-tolerante Zuchtlinie, Naturwabenbau oder eigener Wachskreislauf: Was Winterverluste betrifft, scheint es epidemiologisch egal, ob eine Imkerei sich für eine der genannten Betriebsweisen entscheidet oder nicht. Isolierte Beuten, Zertifizierte Bio-Imkerei und kleine Brutzellen: hier gibt es Unterschiede in der Wintersterblichkeit, aber nicht immer in der erwarteten Art und Weise, es gilt daher besondere Vorsicht bei der Implementierung dieser Betriebsweisen. Dem Anfänger wie auch fortgeschrittenem Imker soll diese Auswertung als Anreiz dienen, die eigene Betriebsweise zu überdenken. Es ist aber auch darauf hinzuweisen, dass statistisch offensichtlich wirkungslose oder sogar nachteilige Betriebsweisen im Einzelfall durchaus angebracht sein können, etwa bei einer besonders auf diese Betriebswahl abgestimmten Arbeitsweise, langer Erfahrung mit dieser Betriebsweise oder anderer Notwendigkeit, die eine bestimmte Betriebsweise bedingt. Aus den ersten Ergebnissen dieses einen Untersuchungsjahres lassen sich daher noch keine klaren Empfehlungen für oder gegen die Anwendung einer Betriebsweise ableiten, dafür sind weitere Erfahrungen in anderen Wintern notwendig.